Jung, DMS & Sie! - Oktober 2020

Social Distancing und Home-Office prägen seit Monaten das gesamte wirtschaftliche Leben. Unabhängigen Finanzberatern und Versicherungsver- mittlern wurde damit die Basis ihrer Tätigkeit erheblich erschwert: der persönliche Kontakt zu ihren Kunden. Ähnlich ergeht es freiberuflichen Musikern. Sie brauchen den Kontakt zum Publikum – ob bei Konzerten oder über den Verkauf von CDs oder kosten- pflichtigen Downloads. Zwar sind Live-Auftritte unter Einhal- tung der üblichen Hygienemaßnahmen wieder möglich, was aber in erster Linie größeren Orchestern oder bereits bekannten Künstlern hilft. Doch echte Freiberufler, die bei keinem Berufsor- chester angestellt sind, fallen durch nahezu jedes Hilfspaket-Raster. So wurde etwa der Antrag auf Corona- Soforthilfe für Freiberufler und Selbst- ständige zwei Wochen nach Start der Maßnahme still und leise umgeändert und gilt seither nur für Selbstständige mit Gewerbeschein. Doch welcher Künstler denkt schon an eine Gewer- beanmeldung? Irgendwann hat die Politik dann doch erkannt, dass nicht alle Kreativen die Zwangspause mit Yoga und Champa- gner in ihren Seevillen füllen, sondern Zehntausende prekär beschäftigte Menschen um ihre Existenz fürchten. Denn laut Künstlersozialkasse beträgt das Durchschnittseinkommen freier Musiker 13.500 Euro – im Jahr. Also wurde ein staatlicher Rettungsschirm für freie Künstler aufgespannt: 1.000 Euro pro Monat, befristet für drei Monate. Rettungsschirm ohne Realitätsbezug Bei unseren – nicht repräsentativen – Umfragen unter Musikern zeigte sich aber, wie realitätsfern dieser Rettungsschirm – gewollt oder nicht – aufgespannt wurde: Der Online-Antrag begann mit der Frage: Haben Sie seit Beginn der Corona-Krise staatliche Soforthilfe erhalten oder für dieselbe einen Antrag gestellt? Falls ja, war die Antragstellung damit beendet. Schaff- te man es zur zweiten Frage, war für viele hier Schluss. Haben Sie seit Beginn der Corona-Krise Arbeitslosen- geld II erhalten oder für dasselbe einen Antrag gestellt? Falls ja, war hiermit die Sache mit dem Rettungsschirm er- ledigt, denn welcher Künstler, dem seit Frühjahr sämtliche Auftritte und damit Einnahmequellen weggebrochen sind, hat bis Ende Mai noch keinen Antrag auf Soforthilfe oder Hartz IV gestellt? Online-Ausweg funkti- oniert selten so gut wie bei den Rolling Stones Mitten in der Pandemie veröffentlich- ten die Rolling Stones im April ihren Song „Living in a Ghost Town“. Das erste selbst geschriebene Stück der Briten seit 2012 erreichte als Stream Jung, DMS & Sie! / STYLE Lost Place: Wenn die Kultur analog nicht mehr stattfindet ... 56 Oktober 2020

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