Jung, DMS & Sie! - Oktober 2020

Der Champagner-Krieg Bei der Taufe der kaiserlichen Jacht „Meteor“ ergab sich 1902 in New York eine kuriose Ge- schichte. Es war vorgesehen, dass eine Flasche deutscher Sekt von der US-Präsidententochter Alice Roosevelt verwendet werden sollte. Dem findigen Vertreter des Hauses Moët & Chandon in den USA gelang es jedoch kurz vor dem Stapellauf durch Bestechung des Werftbesitzers, den vorgesehenen Söhnlein-Sekt „Rheingold“ gegen eine Flasche „White Star“ seiner Firma austauschen zu lassen. Danach kam der Schwindel jedoch auf und verursachte einen großen Skandal. Der deutsche Kaiser ließ seinen Botschafter aus Frankreich zurückrufen und zwischen Deutschland und Frankreich gab es ein gewaltiges politisches Säbelrasseln. Das Champagner- haus Moët et Chandon klagte gegen Söhnlein, weil dieser – guten Glaubens – damit geworben hatte, dass bei der Schiffstaufe seine Marke verwendet worden sei. Die Klage wurde abgewie- sen. Präsident Roosevelt war der Vorgang sehr unangenehm. Er legte fest, dass bei anstehenden Taufen von amerikanischen Kriegsschiffen die Sektmarke „Rheingold“ verwendet werden solle. Die beiden Schaumweinmarken erlangten durch den Skandal Weltbekanntheit. Kurioser- weise war die Werbewirkung für die Marke „Rheingold“ von Söhnlein vermutlich um ein Viel- faches stärker, als sie es bei einem reibungslosen Taufvorgang mit der vorgesehenen Flasche gewesen wäre. 1907 änderte man die Firmenbezeichnung „Söhnlein & Co, Rheingauer Schaumweinkellerei Act. Ges.“ und nahm Rheingold in die Firmenbezeichnung auf: „Rheingold, Söhnlein & Co“. 1912 starb der Firmengründer und sein Sohn Friedrich Wilhelm wurde alleiniger Inhaber des Unternehmens. 1922 wurde die Firma erneut umbenannt, diesmal in „Söhnlein Rheingold AG“. Sekt als Volksgetränk in den Wirtschaftswunderjahren In den Wirtschaftswunderjahren öffneten sich breitere Gesellschaftsschichten dem Sektkon- sum und der Spiegel schrieb 1964: „Deutschlands Sektfabrikanten wollen für die Bundesrepu- blik einen Weltrekord erringen. Erstmals soll der deutsche Schaumweinabsatz die traditionell von Frankreich gehaltene Rekordmarke von 130 Millionen Flaschen jährlich übertrumpfen. Die Schaumweinfertiger haben hehrer Branchentradition abgeschworen und wollen gleich dem Bier und Coca-Cola nunmehr Sekt in den Absatzrang eines Volksgetränkes erheben. ‚Da gehört er hin. Zum täglichen Essen. Mahlzeit‘, kommandiert stakkatoforsch die Firma Söhnlein Rheingold KG, die gerade ihr Einhundert-Jahr-Jubiläum feierte, und platziert in ihren Anzeigen ungerührt eine Söhnlein-Flasche neben Suppenterrine und -kelle.“ Zum Söhnlein-Programm dieser Zeit gehörten Rheingold, Fürst von Metternich und Schloss Rheinberg. 1958 übernahm Rudolf August Oetker die Söhnlein Rheingold AG. 1960 stieg die Söhnlein Rheingold AG mit der Übernahme der Wodka Gorbatschow KG in das Wodka-Ge- schäft ein. Neu hinzu kam die Marke Söhnlein Brillant im Jahr 1964. Sie wurde von Anfang an im Fernse- hen beworben, sodass im ersten Jahr eine Million Flaschen davon verkauft werden konnten. Zehn Jahre später waren es bereits mehr als 107 Millionen Flaschen. 1987 fusionierte die Söhnlein Rheingold AG mit dem langjährigen Konkurrenten Henkell & Co. zur Henkell & Söhn- lein Sektkellereien KG, die seit 2009 unter Henkell & Co. Sektkellerei KG firmiert. Der Firmen- sitz befindet sich heute im Henkell-Stammhaus in Wiesbaden-Biebrich. Jung, DMS & Sie! / REISE 60 Oktober 2020

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